Luca

"My name is Luca, I lived on the second floor..."

Mit diesen Worten beginnt der Song von Suzanne Vega, wo sie ihre Begegnung mit einem Kind beschreibt, welches regelmäßig geschlagen und mißhandelt wird.




Der kleine Luca, der vor ein paar Tagen an den Folgen von Mißhandlungen im Krankenhaus gestorben ist, konnte noch nicht selbst reden. Wie heute bekannt wurde, gab es andere die für ihn gesprochen haben. Nur zuhört hat niemand. Auch nicht die, die für ihn eigentlich da sein hätten sollen und sogar auch noch dafür bezahlt werden.

Der Fall der drei in mütterlicher Isolationshaft gehaltenen Kinder von Grammastetten ist noch nicht so lange her, dafür können sich wahrscheinlich die meisten nicht mehr an die vor den Augen der Behörden "freiwillig" verhungerte 17-Jährige aus Steyr erinnern.
Die beiden Fälle haben eines gemeinsam: die "Mütter" waren psychisch krank und nicht in der Lage ihr eigenes Fehlverhalten zu erkennen und entsprechend zu agieren. Und die Behörden, deren Pflicht es gewesen einzuschreiten haben so reagiert wie es auch bei Luca taten. Sie haben geredet, geschaut ... die Warnungen in den Wind geschlagen... die Hilfeschreie ignoriert.... den leiblichen Väter ins Leere laufen lassen ... geschaut und geredet....

... und nun ist wieder ein Kind tot.
Also sprach gänseblümchen (Gast)
am Donnerstag, 8. November 2007, 22:55 wie folgt:

ja und? was willst du damit sagen?

PeZwo - 8. Nov, 22:56

Nichts. Es wurde schon zuviel geredet.
gänseblümchen (Gast) - 8. Nov, 22:57

na dann.
Also sprach cheridwen
am Donnerstag, 8. November 2007, 23:36 wie folgt:

Wenn das bloß so einfach wäre. Es ist schrecklich, ja, da hast du Recht. Aber "die Behörden" sind auch nur Menschen und die haben keinen leichten Job. Hinterher lässt sich immer leicht reden. Es ist nicht immer einfach und eindeutig zu erkennen, was Sache ist. Die MitarbeiterInnen des Jugendamtes, die hier zuständig sind, sind täglich mit Dutzenden "Anschuldigungen" konfrontiert, denen sie nachgehen müssen. Viele davon sind falsch. Es fehlen Ressourcen. Für den einzelnen "Fall" bleibt oft nicht genug Zeit. Manchmal passieren auch - wie in jedem anderen Job - Fehler. Das wirkt sich hier natürlich manchmal besonders tragisch aus. Aber ich denke, vermeiden lässt es sich nicht. Wie gesagt, es sind Menschen, die hier agieren.

PeZwo - 8. Nov, 23:57

das mag ja alles zutreffen.

Was die Fälle gemeinsam haben ist, dass hier nicht ein oder zwei Fehler (die natürlich passieren können) gemacht wurden.
Hier geht es um ein kontinuierliches Versagen über einen längeren Zeitraum hinweg und dies kann man weder mit "mal einen Fehler machen", "zu viel Stress", "zu wenig Zeit" usw. entschuldigen. Das ist ein Fehler des Systems, der Denkweise, der Einstellung.

Geht's überhaupt noch deutlicher als wie die schriftliche und mündliche Info des Kinderarztes, dass das Kind mißhandelt wird?
cheridwen - 9. Nov, 00:23

Ein Fehler des Systems. Mag sein. Der Denkweise, der Einstellung - glaube ich nicht, zumindestens was die Sozialarbeiter betrifft. Und ich muss korrigieren, so klar und einfach ist es trotz allem nicht. Der Arzt hat den Verdacht auf Misshandlung geäußert. Die Verletzungen hätten tatsächlich auch anders zustande gekommen sein können. (Jetzt im Nachhinein ist natürlich klar, dass er Recht hatte). Dem wurde auch nachgegangen, aber es konnte nichts Auffälliges gefunden werden. Wie sollte deiner Meinung nach vorgegangen werden? Bei jedem Verdacht Kind raus aus der Familie? So eine Vorgehensweise hätte auch durchaus schwerwiegende Konsequenzen, falls sich herausstellen sollte, dass die Anschuldigungen nicht stimmen.

Es ist eine Gratwanderung.

Ich kenne und verstehe deine Perspektive und gebe dir bis zu einem gewissen Grad auch durchaus Recht. Ich will nur darauf hinweisen, dass es auch andere Seiten gibt, aber das ist wohl viel zu kompliziert, um hier im Blog adäquat abgehandelt werden zu können...
PeZwo - 9. Nov, 00:52

Nein. Sorry. Lt. Aussage des Arztes hat es "bereits damals eindeutige Anzeichen für Misshandlungen gegeben" und er spricht nicht von einem Verdacht sondern von einem dringenden Verdacht.

Gegenüber Vätern genügt oft schon nur ein vager Verdacht, um gegen sie vorzugehen... da funktioniert es tadellos. Das ist ein Problem des Systems, der Denkweise und Einstellung (wobei wohl auch hier der alte Spruch "der Fisch beginnt beim Kopf zum Stinken" gelten wird)
Also sprach david ramirer
am Freitag, 9. November 2007, 07:15 wie folgt:

es ist grundlegend falsch, das versagen in so einem fall alleine auf die behörden zu schieben (die selbstverständlich fehler machen, wie jede andere firma auch).
der fehler beginnt bei bekannten der familie, die zuschauen; bei nachbarn, die zuhören; bei verwandten, die nichts unternehmen; und ja: bei den eltern selbst.
eine behörde kann die probleme in der gesellschaft nicht in allen fällen lösen... da wird es immer katastrophen geben; solche sind, solange unsere gesellschaft kinder als menschen zweiter klasse einstuft systemimanent.
die behörden und politiker können bestenfalls das schlimmste verhindern, und in vielen ungeschilderten fällen passiert das auch. aber darüber wird nicht viel berichtet, weil es keine leser bringt.
nur in totalitäten staaten, in der die behörde immer den finger auf den kleinsten dingen hat, können solche dinge (vielleicht) verhindert werden. doch der preis wäre zu hoch (siehe DDR).

wir sind also alleine mit unseren problemen, und manche werden mit dem leben nicht fertig, weil sie von der unterstützung, die manche behörden und organisationen anbieten können, gar nichts wissen. alles weitere steht dann in der zeitung, die ja auch eine art behörde ist, allerdings nur sehr selten eine, die hilft (oder zu helfen versucht).

PeZwo - 9. Nov, 07:35

stimmt nicht.

Wenn den Bekannten, Nachbarn usw. nicht wegschauen sondern denen etwas auffällt, was können sie daraufhin unternehmen?
Ja genau, sie müssen zu den Behörden laufen und diese auf die Mißstände aufmerksam machen.

In den von mir genannten Fällen hatten mehr als genug Leute die Mißstände erkannt und Alarm geschlagen, bei Luca hat sogar ein Kinderarzt mündlich und schriftlich den dringenden Verdacht von Mißhandlungen gemeldet. Es wurde jedoch nichts unternommen.


Ich verstehe alle deine Argumente und sie sind richtig.
Meine Anklage lautet jedoch, dass die Behörden auch dann immer noch inaktiv sind, wenn ein normal-sterblicher Mensch mit Hausverstand schon längst eingegriffen hätte. Und das hat nichts mit Totalitär usw zu tun. Da geht es darum, dass Müttern in den letzten 30 Jahren zu viel Macht verliehen wurde... derartig viel Macht, dass sogar psychisch kranke Frauen ihre Kinder direkt vor den Augen der Behörden verhungern lassen können (siehe den Fall in Steyr).
david ramirer - 9. Nov, 09:01

lieber pezwo,
deine argumentation ist schlüssig, aber auch gefärbt (und ich bin einer von denen, die diese färbung aus persönlichen gründen gut nachvollziehen können).

doch die behörden sind nicht die einzige instanz, die helfen kann. es kann durchaus von beherzten und engagierten personen des umfeldes auch etwas direkt getan werden, auch wenn das derzeit unpopulär ist und es oft so aussieht, als ob in jedem fall irgendein amt oder irgendeine behörde etwas tun soll.

deine argumente mit der "macht der frauen" und der "ohnmacht der männer" wenn es um kinder geht, sind - wie gesagt - aus meiner sicht zu bestätigen.
doch würde ich das von den möglichkeiten der behörden ein wenig absetzen, weil die macht der frauen bei der erziehung der kinder nicht nur von den behörden, sondern auch von tausenden männern, die sich überhaupt nicht um ihre kinder kümmern wollen, geprägt wurde. die vergangenen jahrhunderte prägen unsere gegenwart noch immer. es wird noch viele jahrzehnte dauern, bis männer ihre "macht" und ihre chancen bei der erziehung der kinder zurückgewonnen haben.
die behörden sind da ziemlich machtlos.
und das ist schade.
PeZwo - 9. Nov, 09:12

das Thema bezüglich Machtverteilung Vater, Mutter und Kind ist ein ganz anderes.

In dem Fall ging es nicht mehr um Helfen sondern um Eingreifen. Ja, die Behörde ist die einzige Instanz die die Pflicht zum Handeln hat... sie haben nämlich die gesetzliche Legimitation dazu.
Oder kann eine beherzte und engagierte Person einfach hergehen und einer Mutter sagen: "weil ich das Gefühl habe, dass dein Kind gefährdet ist nehme ich es dir jetzt hiermit weg?"
david ramirer - 9. Nov, 09:18

nein, aber eine beherzte und engagierte person könnte sagen: "weil ich weiß, dass du dein kind schlecht behandelst, werde ich alles mir mögliche unternehmen, um das zu verhindern" oder auch "kann ich irgendetwas tun, um dich dabei zu unterstützen, mit dem kind besser zurechtzukommen?". wenn das mehrere personen im umfeld sagen würden, käme das auch an.
aber jeder schaut immer schön weg, immer irgendwie in eine andere richtung, hat eigene probleme und mit den leiden anderer nichts zu tun.
die behörde hat nicht weniger pflicht zu handeln wie die menschen, die tatsächlich wissen, was vorgeht. und die behörde ist auf informationen angewiesen, sonst muss sie versagen.
es wird viel zu viel zugeschaut in unserer gesellschaft, und viel zu wenig unternommen.
PeZwo - 9. Nov, 09:24

Ja, sagen können sie es. Und bei grundsätzlich normalen, aber z.B. überforderten Menschen kann das auch etwas bewirken.


Aber denkst du, dass dies auch bei psychisch kranken, alkoholabhängigen oder notorisch gewalttätigen Menschen funktionieren wird?
david ramirer - 9. Nov, 09:40

bei psychisch kranken, alkoholabhängigen, gewalttätigen oder durch lebensumstände unter druck geratenen menschen sind weitere hilfsangebote und die unterstützung von einrichtungen und organisationen von großer bedeutung.
hier gebe ich dir recht: es ist sehr schwierig, bereits etwas zu unternehmen, bevor etwas passiert, vor allem mit hilfe von behörden, weil das immer den stempel des eingriffes in private entscheidungen hat, und wer wird schon gerne mit behörden konfrontiert?
und genau hier lagert das problem: entweder die behörde schaltet sich zu früh ein (was fällt ihr eigentlich ein, ich bin ja ein freier mensch!) oder sie reagiert zu spät (ich hätte schon viel früher unterstützung gebraucht!).
zwischen diesen beiden endpunkten des interesses gibt es einen geringen spielraum, und der kann nur von der umgebung, von im umfeld eines problemherdes vorhandenen menschen übernommen werden. "gemeinschaft" funktioniert so, leider aber oft nicht sehr gut.
PeZwo - 9. Nov, 09:50

jetzt nähern wir uns immer mehr an.

Die Problematik eines eventuellen zu frühen Eingreifens sehe ich auch.
Wenn aber die behördliche Toleranzgrenze so weit geht, dass sie trotz eindeutiger Warnungen es zulassen dass

- ein Kind langsam verhungen kann,
- es möglich ist 3 Kinder viele Jahre lang in einem völlig vermüllten Haus zu isolieren,
- trotz dem Vorliegen von eindeutigen ärztlichen Befunde auf Misshandlungen das Kind in diesem Umfeld verbleibt

dann ist für mich ein eindeutiger Anpassungsbedarf ihrer Handlungsrichtlinien und -grundsätze gegeben.
david ramirer - 9. Nov, 09:56

der bedarf ist gegeben - und die ursache liegt auch in den geringen mitteln, die in solchen fällen wichtige behörden zugeteilt bekommen.
es erscheint z.b. viel wichtiger, völlig unnützes fluggerät für das bundesheer zu kaufen, als weitere sozialarbeiter zu beauftragen, derartige fälle genauer nachzuprüfen, denn deren arbeit kostet geld, und das ist sehr oft nicht da.
wir leben in einer gesellschaft, die die prioritäten etwas bizarr zuteilt.
PeZwo - 9. Nov, 10:04

Nein, das ist keine Frage des Geldes.

In jedem der oben genannten Fälle lag der Fehler der Jugendwohlfahrt in der Denkweise und in den Handlungsrichtlinien. Ich glaube nicht, dass nur deswegen die Kinder jeweils nicht "gerettet" wurden weil man deren Versorgung nicht bezahlen hätte können.
david ramirer - 9. Nov, 11:12

das habe ich auch nicht gesagt.
aber wenn zu wenige sozialarbeiter mit zu vielen fällen zu tun haben, dann sind solche fälle leider unvermeidlich.
es ist hier wie in jeder anderen firma auch: zu wenige mitarbeiter produzieren eine zeit lang unter stress vielleicht gutes, doch irgendwann bricht das ganze zusammen und es passiert murks. auch die drastischsten fehler können so passieren, nicht nur in der wirtschaft, auch in der sozialarbeit. hier würden mehr mittel definitiv helfen.
auch in den genannten fällen wird nicht darüber berichtet, was die verantwortlichen sozialarbeiter, ärzte und zuständigen alles richtig gemacht haben - denn das interessiert alles keinen.
PeZwo - 9. Nov, 11:28

wieder Nein.

Dass unter Druck Menschen Fehler passieren können und ständig passieren und immer wieder passieren werden ist mir auch klar.

Bei den Fällen passierte aber immer ein kontinuierliches Versagen über einen längeren Zeitraum hinweg von verschiedenste Personen (Jugendwohlfahrt, Gutachter, Amtsärzte). Und das kann man nicht mehr nur mit Überlastung begründen.
david ramirer - 9. Nov, 12:10

ich begründe gar nichts nur mit überlastung, weil ich über die tatsächlichen vorfälle auch (wie übrigens die meisten, die nur die medienberichte verfolgen) viel zu wenig weiß, um irgendetwas mit bestimmtheit sagen zu können. da auch die medienberichte immer tendenziös sind, wage ich kein urteil, doch aus meiner eigenen beruflichen erfahrung weiß ich, wie viel tatsächlich von den organisationen positives getan wird. wenn es einmal knatscht, wird laut aufgeheult, und dann ist es wieder lange still... bis zum nächsten wahnsinn.
schuld sind immer die behörden und die organisationen, die nichts tun. ganz klar.
PeZwo - 9. Nov, 12:41

Nein, die Behörden sind nicht immer schuld.

Im Falle Kampusch habe ich den Behörden gar keine Schuld gegeben, weil nichts darauf hindeutete, dass hier ein Mädchen gefangen gehalten wurde. In diesen Fällen hingegen waren jedoch alle notwendigen Information verfügbar, es lag daran wie man sie interpretierte, was man damit machte bzw. nicht machte. Das hat was mit Systemfehlern, Handlungsrichtlinien, Denkweisen und Einstellungen zu tun.

Es ist ganz sicher - wie du richtig schreibst - der größte Anteil der sozialen Tätigkeiten positiv. Das ist aber kein Freibrief dafür, sich deswegen ausserhalb der Kritik zu stellen.


Ich würde gerne diese interessante Diskussion weiterführen, aber ich muss mich für meinen Auftritt heute abend vorbereiten. So long.
david ramirer - 9. Nov, 13:47

keinesfalls ist eine soziale tätigkeit ausserhalb kritischer erfolgskriterien ansiedelbar - diese sozialromantik hat schon lange ausgedient.

ich wünsch dir einen erfolgreichen act!

:-)

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