serious

Dienstag, 15. November 2005

Klarheiten und zu späte Erkenntnisse

Nach seinem Tod haben die Ärzte bei meinem Vater eine Obduktion gemacht, weil sie selbst genau wissen wollten warum alle inneren Organe in diesem Ausmaß versagt hatten.

Das Ergebnis war für uns alle eine große Überraschung. Mein Vater hatte einen riesigen, unerkannten und unbehandelten Tumor. Leberkrebs.
Als der Arzt dies meiner Mutter mitteilte, reagierte diese sofort. Sie erinnerte sich, dass vor 2 Jahren bei einer Untersuchung im AKH die Ärzte etwas von einem Punkt auf der Leber gesprochen hatten. Diese empfahlen damals, dass mein Vater diese Auffälligkeit durch eine Punktuation klären lassen soll.
Leider ignorierte er diesen Rat.

Der Doktor meinte daraufhin, dass man damals sicher noch etwas machen hätte können. Aber jetzt war alles zu spät. Selbst wenn man den Leberkrebs gleich bei seiner Einlieferung vor 10 Tagen erkannt hätte, wäre es zu spät gewesen. Der Tumor hatte bereits die Grösse eines Kindskopfes angenommen und war nicht mehr therapierbar. Die unmittelbare Todesursache war das Platzen eines Blutgefäßes an der Leber und er ist somit defacto verblutet.

Dieses Obduktionsergebnis war für uns alle eine große Überraschung. Niemand ahnte etwas davon, dass mein Vater seit langer Zeit ein Todeskanditat war. Nicht einmal er selbst. Wir haben kurz darüber spekuliert, ob er vielleicht selbst von dem Krebs wußte aber dieses Wissen verschwiegen hat. Aber wir waren uns alle nach kurzer Zeit darüber einig, dass er es nicht wußte. Es würde nicht seinem Naturell entsprechen, so ein Wissen über 2 Jahre für sich zu behalten und es auch mit ins Grab zu nehmen. Außerdem hat er sich noch vor einem Monat ein neues Auto gekauft.

Nein, er wußte es nicht. Er hat den damaligen Befund schlichtweg ignoriert und sich nicht darum gekümmert - so wie es leider seine Art war mit seinem Körper umzugehen.

Am Donnerstag ist das Begräbnis. Meine Mutter ist recht gefaßt. Es ist nicht leicht für sie. Man muß sich nur vorstellen, dass meine Eltern nächstes Jahr im August die goldene Hochzeit gefeiert hätten. Aber sie ist eine sehr starke Person und sie wird ihr "neues" Leben als Witwe meistern.

Montag, 14. November 2005

Tot

Heute nacht ist mein Vater friedlich eingeschlafen.

Aber uns allen in der Familie geht es soweit "gut". Jeder hat ihn noch auf der Intensivstation besucht. Wir konnten uns in dieser Woche von ihm verabschieden und mit dem Gedanken seines bevorstehenden Ablebens vertraut machen.
In unserer Familie gibt es Gott sei Dank einen starken inneren Zusammenhalt. Ich kümmere mich jetz um meine Mutter, heute nachmittag reist mein Bruder an. Es werden jetzt noch ein paar schwere Tage werden, aber das Leben geht weiter...

Freitag, 11. November 2005

"... auf niedrigem Niveau stabilisiert ..."

so formulierte der Obergott in Weiß, der heute diensthabende Oberarzt den Gesundheitszustand meines Vaters.

Ich habe in den letzten Tagen mit einigen Ärzten gesprochen und habe alle als Menschen kennengelernt, mit denen man ganz normal reden konnte. Umso befremdender war heute das Verhalten des Oberarztes. Der war der genau der Typ, warum die Mär von den "Göttern in Weiß" überhaupt entstanden ist. So ein arrogantes A.......ch.

Heute wurde mein Vater von der Dialyse abgehängt. Dies hat aber nicht wirklich etwas zu sagen, da dies nicht ununterbrochen notwendig ist. Das einzige Positive was man berichten kann ist, dass es nicht noch schlechter geworden ist. Am Vormittag entfernten die Ärzte aus seiner Bauchhöhle 5,5 (in Worten: fünfeinhalb!!!) Liter Wasser.
Optisch sah mein Vater wesentlich besser aus als beim letzten Mal. Er hatte wieder eine normale Hautfarbe und warme Hände bzw. Finger. Leider hat dies aber nichts zu bedeuten. Wie mir der Arzt mit seiner herablassenden Stimme erklärte, hängt dies mit der Dialyse zusammen. Diese entzieht dem Körper Wärme. Da mein Vater durch seine schwere Lungenentzündung fiebrig ist, wurde das Fieber bisher durch den Wärmeverlust der Dialyse neutralisiert. Nun steigt aber die Temperatur in seinem Körper an und sorgt für seine "gesunde" Hautfarbe.

Es ist nach wie vor so, dass ihn nur die angeschlossenen Geräte am Leben erhalten. Die inneren Organe, welche durch die Apparaturen ersetzt werden, haben ihre Tätigkeit bisher nicht wieder aufgenommen und es fragt sich, ob sie es je wieder tun werden. Die Entzündungswerte haben sich nicht verringert, aber auch nicht noch weiter verschlechtert.

Jetzt wird die Zeit weisen, was die Zukunft bringen wird. Er schwebt nach wie vor in Lebensgefahr, der Blutdruck ist hart an der kritischen Grenze. Bei allem Optimismus ist und bleibt der Status, dass eine Genesung eine Überraschung wäre.

Mittwoch, 9. November 2005

an seinem Lebensabend angekommen

Ich komme gerade von der Intensivstation des Krankenhauses nach Hause. Leider, mein Vater liegt im Sterben.

Er wurde vor einer Woche eingeliefert. Die Diagnose hieß "Wasser im Bauch, weil die Nieren zu wenig arbeiten". Sein Zustand verbesserte sich trotz Behandlung nicht. Vorgestern rief mich am Nachmittag meine Mutter verzweifelt an, dass es ihm immer schlechter geht. Ich fuhr gleich hin und auch mir gefiel ganz und gar nicht, was ich dort sah.
Er hatte einen stark aufgedunsenen Bauch, eine ganz eigenartige Hautfarbe, der Mund war komplett trocken (er konnte kaum sprechen) und wirkte sehr apathisch. Irgendwie war da bei mir schon der Gedanke da, dass es zu Ende gehen könnte.
Ich hatte ein Gespräch mit einem Doktor. Dieser sah dies nicht ganz so pessimistisch. Leider stellte sich ein paar Stunden später heraus, dass mein Bauchgefühl richtig war. Sein Zustand verschlechterte sich dramatisch und er kam auf die Intensivstation.
Heute besuchte ich ihn. Es war bedrückend. Er liegt dort im Tiefschlaf und ist an die verschiedensten Geräte angehängt - Dialyse, künstliche Beatmung, kreislaufstützendes Adrenalin, Antibiotika usw.
Wie mir der Arzt erklärte, ist mittlerweile der Verursacher der Probleme identifiziert: es ist eine massive Lungenentzündung. Diese löste den gefürchteten Dominoeffekt aus, bei dem die inneren Organe der Reihe nach versagen.

Die Prognose sieht nicht gut aus. Trotz dem Antibiotika wird die Entzündung immer schlimmer.
Ich weiß, die Medizin ist keine Mathematik und es kann immer alles passieren - aber es gibt auch Wahrscheinlichkeiten. Und leider ist es realistisch, dass mein Vater die nächsten 2-3 Tage nicht überleben wird.

Mittwoch, 5. Oktober 2005

Vielosofisches

Ein traditioneller Strukturalist der strengen Derwischschule wanderte eines Tages am Ufer eines Flusses entlang. Er war vertieft in Gedanken über strukturelle und personelle Probleme, zu der es in der Gemeinschaft, der er angehörte, gekommen war. Er stellte den Glauben an die Struktur mit dem Suchen sach der letzten Wahrheit auf dieselbe Stufe.
Plötzlich hörte er den Derwischruf, allerdings anders strukturiert, als er ihn kannte. Statt Ya Hu hörte er U Ya Ha.
Als traditioneller Kenner dieser Pflichtübung hatte er diesen unglückseligen Menschen zu korrigieren, da dieser vielleicht nicht richtig angeleitet worden war. Er mietete ein Boot, um auf die Flußinsel zu gelangen. Dort fand er nach einigem Suchen einen Mann im Derwischgewand gekleidet und sagte zu ihm: "Mein Freund, Du sprichst die Worte falsch." Und er zeigte ihm, die strukturierte Wortfolge richtig zu intonieren.
Danach stieg er in sein Boot, voller Zufriedenheit, hatte er doch vernommen, daß der Mensch, der diese heilige Formel korrekt wiedergibt, sogar auf dem Wasser wandeln kann. Er selbst hatte es noch nie gesehen, hoffte jedoch noch immer, es zuwege zu bringen.
Eine Zeitland hörte er nichts mehr, aber dann ein eher gestammeltes "U Ya Hu". Der Strukturalist fühlte sich betroffen von der Uneinsichtigkeit der Menschheit und von der Starrheit der Modelle, nach denen sogar Gesinnungsbrüder lebten. Doch plötzlich hörte er Schritte auf dem Wasser - der ANDERE wandelte auf dem Wasser, erreichte ihn außer Atem und fragte ihn: "Du hast mir gesagt, was ich falsch mache. Ich hatte Schwierigkeiten, es zu behalten. Wie muß ich den Ruf richtig strukturieren in der Wort- und Tonfolge?".

Donnerstag, 8. September 2005

Ehrlichkeit

Heute vormittag läutete es an der Türe. Ich rührte mich nicht, da um diese Zeit zumeist Reklameverteiler dran sind, welche ins Haus wollen. Es läutet nochmals. Ich öffne nun doch.
Und da steht plötzlich der Briefträger vor mir und fragt mich, ob ich etwas vermisse. Ich war verwirrt und stotterte etwas von "vielleicht" und "ich kenne mich nicht aus".

Da drückt mir der Typ plötzlich meine Laptoptasche (mit Laptop und diversen Zubehör) in die Hand. Seiner Aussage nach ist diese draußen im Freien vor der Eingangstüre gelegen. Er hat hineingeschaut und meinen Namen mit Adresse auf einem Schriftstück gesehen, geläutet und gibt sie mir hiermit wieder zurück.

Das Farbenspiel in meinem Gesicht muß einzigartig gewesen sein. Erst wurde ich weiß, dann rot und dann wieder weiß. Ich wußte absolut nicht, was ich sagen sollte und stotterte nur so herum. Dann wollte ich ihm einen Finderlohn anbieten, aber den nahm er nicht. Somit blieb mir nur, mich herzlichst bei ihm zu bedanken.

Seit dem studiere ich ständig nach, wie der Laptop dorthin gelangen konnte. Ich habe nur eine einzige Theorie. Am Dienstag nach Mitternacht kam ich von einem Besuch zurück und trug ihn vom Auto nach Hause. Dies weiß ich noch genau. Dann kann es nur noch so gewesen sein, dass ich ihn beim Aufsperren der Eingangstüre auf den Boden gestellt und dann dort stehen gelassen habe. Aber ich bin gestern Mittwoch mehrmals aus und in das Haus gegangen und habe ihn nicht gesehen.

Ich verstehe dies einfach nicht. Aber egal, Hauptsache ich habe ihn wieder zurück. Der Laptop gehört meiner Firma, ist ziemlich leistungsstark und hätte mich eine schöne Stange Geld gekostet. Mir wird jetzt immer noch ganz anders, wenn ich daran denke.

Ich glaube, ich werde dem Briefträger irgendwie doch noch ein DANKE zukommen lassen. Mal nachdenken...

Montag, 4. Juli 2005

Beziehungskrisen...

Eigentlich wollte ich jetzt was über das U2-Konzert schreiben. Aber ich war jetzt bei einer lieben Freundin und mußte leider erfahren, dass ihre Beziehung jetzt endgültig zerbrochen ist.
Ich kenne beide schon lange Jahre, bin mit beiden befreundet und habe auch mit beiden schon auf der Bühne gestanden und Auftritte absolviert.

Das tut weh, sie so am Boden zu sehen. 10 Jahre Beziehung, die da zu Ende geht, ist eben schwer zu verkraften. Die Trennung geht von ihm aus, aber so etwas wie einen "Schuldigen" gibt es nicht. Die beiden haben sich schlichtweg unterschiedlich entwickelt und haben unterschiedliche Vorstellungen über ihre jeweilige Zukunft. Kinder oder sonstiges Vermögen gibt es nicht, sie waren auch nicht verheiratet. Sie trennen sich halt "nur" in Frieden.

Nach diesem Wochenende war ich ziemlich gut drauf, aber jetzt habe ich einen Dämpfer bekommen. Aber sie wird es verkraften und wieder auf die Beine kommen, da habe ich nicht die geringsten Zweifel.

Freitag, 6. Mai 2005

Heimfahrt - zum Nachdenken

Nach der etwas skurilen Geschichte gestern ist mir heute nach Ernsterem zumute




Jack schaute kurz noch einmal auf sein Tacho, bevor er langsamer wurde: 73 in einer 50er Zone. Das vierte mal in gleicher Anzahl von Monaten. Wie konnte ein Typ denn so oft erwischt werden?

Als er sein Auto auf 10 km/h abbremste, fuhr Jack rechts ran. Lass den Polizisten doch wieder einmal herum moppen über seinen Fahrstil. Vielleicht würde ein noch schnellerer Autofahrer an ihnen vorbei flitzen, an dem der Bulle mehr Interesse hätte. Der Polizist stieg aus seinem Auto aus, mit einem dicken Notizbuch in der Hand. Bob? Bob aus der Kirche ? Jack sank tiefer in seinen Sitz. Das war nun schlimmer als der Strafzettel. Ein christlicher Bulle erwischt einen Typen aus seiner eigenen Kirche. Ein Typ der etwas angespannt war, nach einem langen Tag im Büro. Einen Typen der morgen Golf spielen wollte. Als er aus seinem Auto sprang erblickte er den Typen, den er jeden Sonntag in der Kirche sah. Er hatte den Mann in Uniform gesehen.

"Hi Bob. Komisch, dass wir uns so wieder sehen !"

"Hallo Jack." Kein Lächeln.

"Ich sehe Du hast mich erwischt in meiner Eile nach Hause zu kommen, um meine Frau und Kinder zu sehen."

"Ja, so ist das." Bob schien unsicher zu sein. Gut.

"Ich bin die Tage erst sehr spät aus dem Büro gekommen. Ich denke auch, dass ich die Verkehrsregeln nun mehr als einmal gebrochen habe." Jack schoss einen Kieselstein an die Bordsteinkante.
"Diane erwähnte etwas von Roast Beef und Kartoffeln heute Abend.
Verstehst Du, was ich meine?“

"Ich weiß, was Du meinst. Ich weiß auch, dass Du ein Gesetz soeben gebrochen hast." Aua. Dies geht in die falsche Richtung. Zeit die Taktik zu ändern.

"Bei wie viel hast Du mich erwischt?“

"Siebzig. Würdest Du Dich bitte wieder in Dein Auto setzen?“

"Ach Bob, warte bitte einen Moment. Ich habe sofort gecheckt, als ich Dich gesehen habe! Ich habe mich auf 65 km/h geschätzt!" Ich konnte mit jedem Strafzettel besser lügen.

"Bitte Jack, setz Dich wieder in Dein Auto."

Genervt quetschte Jack sich durch die noch immer offene Türe. Ein Knall. Türe zu. Er starrte auf sein Armaturenbrett. Bob war fleißig am Schreiben auf seinem Notizblock. Warum wollte Bob nicht Führerschein und Papiere sehen? Was auch immer der Grund war, es würde einen Monat an Sonntagen vergehen, bis er sich in der Kirche wieder neben diesen Polizisten setzen würde. Bob klopfte an die Tür. Er hatte einen Zettel in der Hand. Jack öffnete das Fenster, maximal 5cm, gerade genug, um den Zettel an sich zu nehmen. Bob gab ihm den Zettel durch.

"Danke." Jack konnte die Enttäuschung nicht aus seiner Stimme halten. Bob setzte sich wieder ins Auto ohne ein Wort zu verlieren. Jack wartete und schaute durch seinen Spiegel zu. Dann faltete er den Zettel auf. Was würde ihn dieser Spaß wieder kosten? Hey ! Warte mal! War das ein Witz? Dies war kein Strafzettel.

Jack las: "Lieber Jack, ich hatte einmal eine kleine Tochter. Als sie sechs Jahre alt war, starb sie bei einem Verkehrsunfall. Richtig geraten - der Typ ist zu schnell gefahren. Einen Strafzettel, eine Gebühr und drei Monate Knast und der Mann war wieder frei. Frei um seine Töchter wieder in den Arm nehmen zu dürfen. Alle drei konnte er wieder lieb haben. Ich hatte nur eine und ich werde warten müssen, bis ich in den Himmel komme, bevor ich sie wieder in den Arm nehmen kann. Tausend Mal habe ich versucht diesem Mann zu vergeben. Tausend Mal habe ich gedacht ich hätte es geschafft. Vielleicht habe ich es geschafft, aber ich muss immer wieder an sie denken. Auch jetzt. Bete bitte für mich. Und sei bitte vorsichtig, Jack. Mein Sohn ist jetzt alles was ich noch habe. Bob" Jack drehte sich um und sah Bobs Auto wegfahren. Er fuhr die Straße wieder runter.

Jack schaute ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war. 15 Minuten später fuhr auch er langsam nach Hause...

Mittwoch, 13. April 2005

Eine einfache Geschichte

Ich bin auf meinen Streifzügen durch die unendlichen Welten des Internets durch Zufall auf die Homepage eines Schizophrenen gestoßen und habe dort diese Kurzgeschichte gefunden. Es war kein Hinweis dabei, ob er sie selbst geschrieben hat, es könnte aber sein.
Sie ist zwar sehr lang (fast schon zu lange für ein Blog), aber trotzdem. Weil es unter die Haut geht.


Die große Wegkreuzung

Seit unendlichen Zeiten zieht die Erde ihre Bahn um die Sonne, empfängt Wärme und Licht. Und der Mond umkreist die Erde, spendet seine silbernen Strahlen, hebt und senkt die Meere.

Hoch oben in den Bergen wuchs ein Kind auf. Spielte sich in klarer Luft und auf sattgrünen Wiesen zur jungen Frau. Packte eines Tages ihr kleines Bündel und sagte zu ihren Vater und Mutter, daß sie gehen wolle, um das Meer zu sehen. Denn wehrend ihrer ganzen Jugend hatte sie sich nichts sehnlichster gewünscht, als einmal im Leben ihren Körper in das schäumende Meerwasser legen und auf den Lippen den salzig frischen Atem des Meeres spüren zu können.

Die junge Frau ging den vertrauten Weg hinab ins Tal. Aber sie hielt nicht in jenem kleinen Dorf, in dem sie immer ihre Milch verkauft hatte. Sie hielt auch nicht bei der kleinen Sennhütte, wo sie als Kind jedesmal einige Süßigkeiten und eine kalte, schaumig-gerührte Buttermilch bekommen hatte. Sie ging weiter. Weiter als sie je gegangen war an der Hand ihres Vaters. Sie ging, weil sie ein Ziel hatte. Sie wollte ihren Körper im schäumenden Meer baden und den salzig frischen Atem dieser endlosen Weite auf den Lippen spüren. Und so begleitete sie die kleinen Bergbäche, die aufgeregt über die Steine sprangen, suchte sich ihren Weg vorbei an wiederkäuenden Kühen hinunter ins Tal. Viele Menschen traf sie auf ihrem langen Weg. Oft wurde sie eingeladen, doch ein wenig auszuruhen und manchmal wurde ihr auch abgeraten, weiter zu gehen. Aber sie ließ sich nicht beirren. Sie nahm die Gastlichkeit dankbar an und ging weiter den Weg, den sie für sich gewählt hatte, weiter auf dem Weg, der sie zum Meer führen sollte. Eines Tages, sie war schon sehr müde, kam sie an einer großen Wegkreuzung. Der Weg, dem sie bisher gefolgt war, gabelte sich vor einem großen Gebirge in vier Pfade, von denen zwei links und zwei rechts um die Berge herumzuführen schienen. Die junge Frau wußte nicht weiter und setzte sich mitten auf die Kreuzung, um zu rasten, Brot zu essen und Wein zu trinken. So saß sie lange Zeit auf der Erde und konnte sich für keinen der vier Wege entscheiden. Jeder schien ihr ungewiß.

Eines Tages kamen Fremde an die Kreuzung und fragten die junge Frau, was sie denn hier mache.

„Ich bin unterwegs ans Meer“, gab sie Auskunft, „aber mein Weg endet hier. Nun weiß ich nicht, welche Richtung ich wählen soll.“

„Dann komm doch mit uns“, sagten die Fremden, „wir sind unterwegs in eine Stadt, die nur einige Stunden von hier entfernt ist.“

Aber die junge Frau wollte ans Meer, im warmen Sand sitzen, sich von der wilden Kraft der Wellen umschäumen lassen und den salzig frischen Atem des Meeres auf den Lippen spüren.

Sie bedankte sich bei den Fremden für das Angebot und blieb weiter auf ihrer Wegkreuzung sitzen. Wieder saß sie lange Zeit allein und konnte sich für keinen der Wege entscheiden.

Viele Tage später kam ein einsamer Wanderer und setzte sich zu ihr. Lange Zeit saß er bei ihr und erzählte, was er alles erlebt hatte auf seiner Wanderschaft, wo er schon überall gewesen war, und was er alles erfahren hatte. Er aß mit der jungen Frau Brot und trank mit ihr Wein. Oft saßen sie noch zusammen, um die Sonne hinter den hohen Bergen versinken zu sehen. Und irgendwann fragte er sie, ob sie nicht mit ihm kommen wolle. Er sei unterwegs zu einem Wald ganz in der Nähe, um dort zu jagen. Aber die Frau auf der Wegkreuzung sagte auch ihm, daß sie nicht in einen Wald, sondern ans Meer wolle.

Die Wochen vergingen, und mit ihnen wechselten die Jahreszeiten. Die Frau saß auf dem Platz zwischen den Wegen und sah den Wolken nach, die sich übers Gebirge jagten und bunte Blüten der Phantasie an den Himmel malten.

Eines morgens wurde sie von Fremden geweckt, die unterwegs zu Bauern waren. Sie fragten, ob sie nicht mitkommen wolle, um bei der Ernte zu helfen. Und weil die Frau schon so lange untätig dort gesessen hatte, entschied sie sich, dieses Mal mit den Fremden zu gehen. Sie kamen in ein kleines Dorf, und den ganzen Herbst half sie, die Ernte einzufahren. Es gefiel ihr gut bei den Bauern. Nur eine Sehnsucht blieb in ihr und wuchs und wuchs, während der Winter die Landschaft in stille weiße Träume verpackte.

Sie wollte ans Meer. Und deshalb packte sie an einem klaren Frühlingsmorgen ihr Bündel und sagte den freundlichen Bauern, daß sie wieder gehen wolle, denn sie sei unterwegs ans Meer.

Danach ging sie ihren Weg zurück, bis sie wieder an die große Kreuzung kam. Ratlos setzte sie sich. Wenn sie nur wüßte, welcher dieser Wege sie wählen solle, um endlich an das Ziel ihrer Sehnsucht zu kommen. Sehr lange saß sie an der Wegkreuzung, bis nach Wochen eine Frau kam, die unterwegs war in ein kleines Dorf. Sie wolle dort ihre Waren verkaufen, erzählte sie und fragte die Frau, ob sie nicht Lust hätte, sie zu begleiten. Und weil diese wußte, daß sie allein zu keinem Entschluß kommen würde, ging sie mit der fremden Frau in das kleine Dorf. Es gefiel ihr gut dort. Sie half Hemden und Hosen nähen und später auf dem Markt verkaufen. Aber immer blieb in ihr die Sehnsucht nach dem Meer. Eines Tages hielt sie es nicht mehr aus. Wieder packte sie ihre Habseligkeiten zusammen, verabschiedete sich von der Frau und wanderte zurück an jene große Kreuzung. Hier war ihr inzwischen alles schon so vertraut. Sie suchte sich wieder ihren alten Platz und machte es sich gemütlich. Dann saß sie dort, fast unbeweglich, eine lange, lange Zeit. Ihr Haar war inzwischen dünn und grau geworden. Ihr Rücken beugte sich immer mehr unter der Last der sich ständig wiederholenden Jahreszeiten. Noch immer wußte sie nicht weiter, konnte sich einfach nicht entscheiden, welcher dieser Wege sie denn nun wählen solle. Manchmal glaubte sie in stillen, schlaflosen, mondhellen Nächten ein leises, fernes Rauschen zu hören, als ob das Meer sie rufen würde. Und wenn der Nachtwind mit lauem Hauch von den Bergen strich, vermeinte sie sogar auf ihren Lippen einen zarten salzigen Geschmack spüren zu können.

Es war eine solche Nacht, als sie sich entschloß, einfach die Berge hinaufzusteigen. Die Wanderung war sehr beschwerlich. Durch beängstigend verwirrende Felsengärten, dichtes Unterholz und über steil abfallende Grade führte ihr Weg nach oben. Höher und höher stieg sie bei ihrer einsamen Wanderung. Nachts war es längst nicht mehr so warm wie unten an der großen Wegkreuzung. Sie fror und kauerte sich oft hilflos an den nackten, kalten Fels. Manchmal glaubte sie auch, ihre Kraft würde nicht ausreichen. Immer schwieriger schien es, sich die steilen Hänge emporzuquälen, um wieder feststellen zu müssen, daß hinter dem eben erklommenen Gipfel der nächste auf sie wartete.

Und dann endlich- sie hatte schon fast nicht mehr daran geglaubt- stand sie ganz oben. Der Wind packte ihr langes, graues Haar, zerwühlte es mit klammen Fingern und riß an ihrer Kleidung. Sie öffnete den Mund, um diese Gewalt in sich hineinzusaugen. Erschöpft und keuchend atmete sie gegen den Wind. Und endlich öffnete sie ihre Augen und blickte sich um. Der Ausblick überwältigte sie. Tief unten entdeckte sie, ganz klein jetzt, die Wegkreuzung, auf der sie so lange gesessen hatte. Sie sah die vier Pfade, die sich dort unten verzweigten. Der eine führte in eine große Stadt, direkt auf den Marktplatz und darüber hinaus. Der andere schlängelte sich durch einen dichten Wald, nahe an ein kleines Häuschen. Aber auch der endete dort nicht. Der dritte war ihr bekannt: Er wand sich in das Tal zu den Bauern, denen sie bei der Ernte geholfen hatte, kletterte dann über einige kleine Hügel und führte weiter in eine fruchtbare Ebene. Und der vierte traf auf jenes kleine Dorf, in dem sie Hemden und Hosen geschneidert hatte. Doch auch dieser zog durch das Dorf hindurch und weiter.

Die alte Frau stand auf dem Gipfel des Berges und zitterte. Die vier Wege trennten sich vor dem Gebirge, umringten es und nährten sich einander in einer weiten Ebene, vereinigten sich und setzten ihre Reise fort bis zum Meer, in dem sich weit entfernt der Horizont zu spiegeln schien. Die alte Frau saß hoch oben auf den Felsen, die vor ihr steil abbrachen und dort hinten, jenseits der Ebene, verlor sich ihr suchender Blick in die Unendlichkeit des Meeres. Je länger sie schaute, um so deutlicher glaubte sie das schäumende Wasser zu sehen. Sie meinte fast die tosende Kraft der Wellen zu spüren, die weit vor ihr in die zerfurchten Klippen schlugen und zersprangen. Aber sie konnte nichts hören, so weit weg stand sie, hoch oben auf dem Gipfel und wußte, sie hatte nicht mehr die Kraft zurückzugehen an jene große Wegkreuzung, wo sie so lange gesessen hatte. Zurück, um irgendeinen Weg zu wählen, der sie ans Meer bringen würde. Sie hatte keinen dieser Wege gewählt, war keinen bis zum Ende gegangen. Erst hier, oben auf den Felsen, erkannte sie, daß jeder dieser Wege ans Meer geführt hätte. Und plötzlich wußte sie: Niemals in ihrem Leben würde der salzig frische Atem grenzenloser Weite ihre Lippen netzen. Und niemals in ihrem Leben würde sie das wildschäumende Wasser des Meeres auf ihrem Körper spüren.

Montag, 14. März 2005

Da ist was Wahres dran...

Diesen kleinen Vergleich habe ich kürzlich entdeckt. Er gefällt mir so gut, dass ich ihn hier veröffentlichen möchte:

Stelle dir vor, du hast bei einem Wettbewerb folgenden Preis gewonnen:

Jeden Morgen, stellt dir die Bank 86400 Euro auf deinem Bankkonto zur
Verfügung. Doch dieses Spiel hat auch Regeln, so wie jedes Spiel
bestimmte Regeln hat.

Die erste Regel ist:
Alles was du im Laufe des Tages nicht ausgegeben hast, wird dir wieder weggenommen, du kannst das Geld nicht einfach auf ein anderes Konto überweisen, du kannst es nur ausgeben. Aber jeden Morgen, wenn du erwachst, eröffnet dir die Bank eine neues Konto mit neuen 86400 Euro für den kommenden Tag.

Zweite Regel:
Die Bank kann das Spiel ohne Vorwarnung beenden, zu jeder Zeit kann sie sagen: Es ist vorbei. Das Spiel ist aus. Sie kann das Konto schließen und du bekommst kein neues mehr.

Was würdest du tun???

Du würdest dir alles kaufen was du möchtest? Nicht nur für dich selbst, auch für alle Menschen die du liebst.....vielleicht sogar für Menschen die du nicht kennst, da du das nie alles nur für dich alleine ausgeben könntest....... Du würdest versuchen, jeden Cent auszugeben und ihn zu nutzen oder???

Aber eigentlich ist dieses Spiel die Realität:

Jeder von uns hat so eine "magische Bank".....

Wir sehen das nur nicht....

Die magische Bank ist die Zeit.....

Jeden Morgen, wenn wir aufwachen, bekommen wir 86400 Sekunden Leben für den Tag geschenkt und wenn wir am abend einschlafen, wird uns die übrige
Zeit nicht gutgeschrieben....

Was wir an diesem Tag nicht gelebt haben, ist verloren, für immer
verloren. Gestern ist vergangen. Jeden Morgen beginnt sich das Konto neu zu
füllen, aber die Bank kann das Konto jederzeit auflösen, ohne
Vorwarnung....

Was machst man also mit seinen täglichen 86400 Sekunden???
Sind sie nicht viel mehr wert als die gleiche Menge in Euro?

Carpe Diem

Nutze (und pflücke) den Tag

derzeit billigste Tankstelle in OÖ

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die Katze TWODAY
... und wieder geht es trotz aller Widrigkeiten weiter....
PeZwo - 5. Apr, 07:54
Oh wie wahr. Erstens...
Oh wie wahr. Erstens beabsichtigte ich nie, hier...
PeZwo - 13. Jan, 19:03
na das ist doch schon...
na das ist doch schon was. Die erste Antwort seit über...
PeZwo - 13. Jan, 18:57
Sag
niemals nie. waltraut von siebensachen
waltraut - 13. Jan, 18:25
dann geb ich ihnen jetzt...
la-mamma - 13. Jan, 17:46

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